Auf der Regionalen Wohnungsbaukonferenz 2017 in Ebersberg wurde unter anderem vereinbart, sich für eine Flexibilisierung der rechtlichen Rahmenbedingungen beim Wohnungsbau einzusetzen. Besonders wichtig war den Teilnehmenden, das Vergaberecht zu flexibilisieren. In Umsetzung dieses Auftrags haben die Landeshauptstadt München, die Große Kreisstadt Freising und der Bayerischen Städtetag 280 Städte und Gemeinden und 27 Landkreise der Planungsregion 14 und der Europäischen Metropolregion München sowie 31 kommunale und private Gesellschaften, Einrichtungen und Verbände angeschrieben und gebeten, in Beispielfällen darzulegen, welche Vergaberechtsbestimmungen als Hürde für die Wohnraumschaffung erachtet werden.  Folgende Rückmeldungen gingen ein:

1. Vergabe bei Projekten mit geförderten Teilleistungen: Pflicht zur Anwendung des Vergaberechts bei geförderten Wohnprojekten
2. Lockerung des Vergaberechts für kommunale Grundstücksgeschäfte
3. Schätzung des Auftragswerts bei der Vergabe von Planungsleistungen, § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV
4. Kommunale Wohnungsunternehmen als öffentliche Auftraggeber und Inhouse-Fähigkeit kommunaler Wohnungsunternehmen?
5. Unzureichende Möglichkeiten des Auftraggebers bei der Eignungsprüfung
6. Vorrang der Losvergabe vor Gesamtvergabe (Generalunternehmer, Generalübernehmer)

Zur Konkretisierung der Problemanzeigen und zur Erarbeitung konkreter Forderungen luden die Kooperationspartner zu einem Workshop „Vereinfachung des Vergaberechts für mehr Wohnungsbau” am 25. September 2018 in München ein. Nach einer Begrüßung durch die Gastgeberin, Stadtbaurätin Prof. Dr. (Univ. Florenz) Elisabeth Merk sowie den weiteren Kooperationspartnern Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher und Bernd Buckenhofer referierten Rechtsanwältin Dr. Julia Betz, vdw Bayern, Daniel von Schamann, GEWOFAG München, Rechtsanwalt Bernhard Stolz, Kraus, Sienz & Partner Rechtsanwälte sowie Gerda Peter, GWG München, zu ausgewählten Themen.

Kennzahlen

1. Vergabe bei Projekten mit geförderten Teilleistungen: Pflicht zur Anwendung des Vergaberechts bei geförderten Wohnprojekten mit integrierten Kindertagesstätten

Problemaufriss:

In den Wohnraumförderungsbedingungen 2012 des Freistaats Bayern ist die in Nr. 3 ANBest-K enthaltene Verpflichtung zur Einhaltung der auf Grund des § 31 Abs. 2 KommHV bekannt gegebenen Vergabegrundsätze entfallen. Hingegen verpflichtet Nr. 4.2, 6. Spiegelstrich FAZR den Maßnahmeträger zur Einhaltung dieser Vergabegrundsätze, sofern ein Vorhaben im Sinn von Nr. 2 (hier: Kindertageseinrichtungen) von einem anderen Maßnahmeträger (als Kommunen oder kommunale Verbünde) durchgeführt wird und sich die Kommune daran mit einem Zuschuss zu den Bau- oder Erwerbskosten beteiligt. Gleiches schreibt Ziff. 4.5 Satz 1 der Richtlinie zur Förderung von Investitionen im Rahmen des Investitionsprogramms „Kinderbetreuungsfinanzierung“
2017 bis 2020 („RL SIP“) vor. Sofern die Maßnahme von einem freigemeinnützigen oder sonstigen Träger durchgeführt wird, ist die Einhaltung der einschlägigen rechtlichen Bestimmungen, beispielsweise die FAZR bzw. die VOB/A, Voraussetzung der staatlichen Förderung.

Ist der Maßnahmeträger eine Einrichtung oder ein privater Träger, die selbst nicht öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 99 GWB oder der KommHV ist, und möchte diese Einrichtung oder dieser private Träger eine geförderte Wohnanlage mit integrierter Kindertageseinrichtung errichten, ist er hinsichtlich der von der Kommune bezuschussten Kindertageseinrichtung zur Anwendung des Vergaberechts angehalten, während er hinsichtlich der vom Freistaat geförderten Wohnungen dieser Verpflichtung nicht unterliegt. Dies führt zu enormen Abgrenzungsschwierigkeiten und erschwert die Gewinnung privater Investoren, um diese integrierten Bauprojekte zu realisieren. Gerade in städtischen Lagen und im Umland von Städten stellen Wohnanlagen mit
integrierten Kindertageseinrichtungen ein sehr wichtiges Modell dar, um flächensparend Wohn- und Betreuungsbedarfe abzudecken.

Diskussionsvorschlag:

Herstellung eines Gleichlaufs zur sozialen Wohnraumförderung durch Freistellung des Maßnahmeträgers eines Wohnprojekts mit integrierter Kindertagesstätte vom Vergaberecht. Alternativ: Freistellung, wenn die Kindertageseinrichtung im Verhältnis zu den geförderten Wohnungen eine
untergeordnete Rolle spielt (Vorschlag: max. 20 Prozent der Gesamtinvestitionssumme).

Zur Durchsetzung der Forderung wäre eine Änderung der FAZR erforderlich. Diese müsste mit dem Freistaat Bayern verhandelt werden.

Weiteres Vorgehen:
Behandlung in den Verbandsgremien des Bayerischen Städtetags.

2. Lockerung des Vergaberechts für kommunale Grundstücksgeschäfte (Rechtsanwalt Bernhard Stolz)

Problemaufriss:

Im Zusammenhang mit kommunalen Grundstücksgeschäften ergeben sich häufig schwierige Abgrenzungsfragen. Diese können bei Veräußerungs- sowie bei Erwerbsgeschäften auftreten (siehe beispielhafte Fallkonstellationen auf den Vortragsfolien Stolz). Grundsätzlich unterliegen kommunale Grundstücksgeschäfte nicht den Vorschriften des Vergaberechts, wohl aber dem EU-Beihilfenregime. Abhängig von der Vertragsgestaltung kann aber das Geschäft – oder Teile davon – einen öffentlichen Bauauftrag oder eine Baukonzession enthalten.

Ein öffentlicher Bauauftrag liegt vor, wenn kumulativ folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

a) Entscheidender Einfluss auf Art und Planung der Bauleistung (Gemeinde stellt spezifische Anforderungen an die Errichtung/den Umbau des Gebäudes, die über allgemeine kauf- oder mietvertragstypische Vorgaben hinausgehen; allein die bloße Ausübung städtebaulicher Regelungszuständigkeiten reicht nicht aus)
b) Einklagbare Bauverpflichtung? (str. ob eine Bauverpflichtung dann nicht vorliegt, wenn man sich im Vertrag im Falle der Nichterfüllung ausdrücklich auf ein bloßes Rücktrittsrecht oder auf Vertragsstrafen verständigt)
c) Unmittelbares wirtschaftliches Interesse des öffentlichen Auftraggebers an der Erbringung der Bauleistung
d) Gegenleistung des öffentlichen Auftraggebers für die Erbringung der Bauleistung? (jeder geldwerte Vorteil); in Abgrenzung zur Baukonzession, wenn der geldwerte Vorteil im Recht einer zeitlich begrenzten Nutzung des Bauwerks (z.B. bei einem Pachtvertrag) besteht und
der Vertragspartner das Betriebsrisiko für die Nutzung des Bauwerks übernimmt.
Liegt danach ein öffentlicher Bauauftrag/eine Baukonzession vor, ist in weiteren Schritten zu prüfen, ob die EU-Schwellenwerte überschritten sind, Ausnahmetatbestände vorliegen oder ausnahmsweise ein Direktauftrag möglich ist.

Weitere nützliche Hinweise gibt die Handreichung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 20.12.2010 zur Anwendung des Vergaberechts bei kommunalen Grundstücksgeschäften.

Diskussionsvorschlag:

Generelle Ausnahme von Immobiliengeschäften öffentlicher Auftraggeber vom Anwendungsbereich des Vergaberechts durch eine Erweiterung/Klarstellung von Art. 10 a) der Richtlinie 2014/24/EU (Ausnahme bei Erwerb von Grundstücken und vorhandener Gebäude).

Begründung:
vergaberechtliche Regelungen sind nicht auf Immobiliengeschäfte zugeschnitten. Die Regelungen des EU-Beihilfenrechts sind sachgerecht und ausreichend.

Zur Durchsetzung der Forderung müsste die RL 2014/24/EU erweitert werden. Dies müsste auf Ebene der EU verhandelt werden und erscheint sehr schwer durchsetzbar zu sein.

Weiteres Vorgehen:
Behandlung in den Gremien des Bayerischen Städtetags.

3. Schätzung des Auftragswerts bei der Vergabe von Planungsleistungen, § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV

Problemaufriss:

Nach § 3 Abs. 7 Satz 1 VgV ist der geschätzte Gesamtwert aller Lose zugrunde zu legen, wenn das beabsichtigte Bauvorhaben oder die vorgesehene Erbringung einer Dienstleistung zu einem Auftrag führen, der in mehrere Lose vergeben wird. Bei Planungsleistungen gilt dies nur für Lose über gleichartige Leistungen, § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV. Erreicht oder überschreitet im Falle des Satzes 1 der geschätzte Gesamtwert den maßgeblichen Schwellenwert, gilt die Vergabeverordnung für die Vergabe jedes Loses, § 3 Abs. 7 Satz 3 VgV.

Besonders in der jüngeren Vergangenheit ist die Auslegung der Gleichartigkeit einer Planungsleistung im Sinne des § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV Gegenstand der juristischen Diskussion und von Entscheidungen von Oberlandesgerichten und Vergabekammern gewesen. Würde die Gleichartigkeit mehrerer für ein Bauvorhaben benötigter Planungsleistungen bejaht, führte dies dazu, dass die Werte der Planungsleistungen zu addieren sind. Der verglichen mit Bauaufträgen relativ niedrige Schwellenwert für Dienstleistungen würde dann regelmäßig überschritten, selbst dann, wenn das Bauvorhaben selbst den vergleichsweise hohen Schwellenwert für Bauleistungen von über fünf Millionen Euro nicht überschreitet.

Die bislang herrschende Auffassung bemüht für die Bestimmung der Gleichartigkeit freiberuflicher Planungsleistungen die unterschiedlichen Leistungsbilder der HOAI als Indiz und verneint diese etwa für die Planungsleistungen der Objektplanung, der Tragwerksplanung und der Planung der technischen Gebäudeausrüstung (vgl. u.a. Stolz, VergabeR 2016, 351, 352 f.). Als Argumente werden Wortlaut, Entstehungsgeschichte und der bei einer funktionalen Betrachtungsweise geringe Anwendungsbereich des § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV angeführt.

Dieser auf Wortlaut und nationalen Vorgängen beruhenden Argumentationskette versuchen die Befürworter einer funktionalen Betrachtung die Basis zu entziehen, indem sie die europarechtskonforme Umsetzung des Art. 5 Abs. 8 RL 2014/24/EU (bzw. Art. 16 Abs. 8 RL 2014/25/EU für die gleichgelagerte Fallgestaltung für Sektorenauftraggeber) in § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV (bzw. in § 2 Abs. 7 Satz 2 SektVO) in Frage stellen. In den Richtlinienbestimmungen ist eine Einschränkung für Planungsleistungen nicht vorgesehen. Die Einstellung des am 11.12.2015 von der EU-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens in der Sache „Freibad Stadt Elze“ (Nr. 2015/4228) vermochte die Bedenken einer fehlerhaften
Umsetzung der Richtlinien nicht zu entkräften, weil Grund für die Einstellung nicht die Lösung der materiellen Rechtsfrage, sondern die vollständige Abwicklung der öffentlichen Aufträge ohne verbleibende Rechtswirkungen – also eine Erledigung – war. Die Europäische Kommission vertritt
nach wie vor die Auffassung, dass die Auftragswerte verschiedener Planungsleistungen für ein Projekt zusammenzurechnen seien.

Das federführende Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat sich bislang zu diesem Streitpunkt nicht offiziell geäußert, geht aber wohl von einer europarechtskonformen Umsetzung der Richtlinienvorgaben aus. Allerdings kann auch diese Zurückhaltung nicht als Argument für die
bislang herrschende Auffassung, die eine Gleichartigkeit bei den unterschiedlichen Leistungsbildern der HOAI regelmäßig verneint, bemüht werden. Das OLG München weist nämlich in seinem Beschluss vom 13.03.2017 (Verg 15/16), ohne abschließend über die Streifrage zu entscheiden
oder diese dem EuGH vorzulegen, darauf hin, § 2 Abs. 7 Satz 2 SektVO (entsprechendes gilt für § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV) könne dahingehend ausgelegt werden, dass es für die „Gleichartigkeit“ auch auf die wirtschaftliche und technische Funktion der Planungsleistungen ankomme. Hierfür
spreche nach Auffassung des OLG die amtliche Begründung in BT-Drucks. 18/7318, S. 210 (OLG München, Beschl. v. 13.3.2017 – Verg 15/16, Rz. 65 – zitiert nach juris).

Das OLG München hat eine Additionspflicht jedenfalls dann bejaht, wenn der Auftraggeber selbst dokumentiert, dass er von einer funktionalen, wirtschaftlichen und technischen Einheit verschiedener Planungsleistungen ausgehe. In dem dem Beschluss zugrunde liegenden Sachverhalt verlangte die Auftraggeberin in der Bekanntmachung, dass die Planungsdisziplinen der Tragwerksplanung, der technischen Ausrüstung, der thermischen Bauphysik und der Objektplanung „lückenlos aufeinander abgestimmt und optimiert werden“ müssten und diese eine Einheit ohne Schnittstellen bildeten.

Die Vergabekammer Nordbayern hat mit Beschluss vom 09.05.2018 (RMF-SG21-3194-3-10) eine Additionspflicht bei der Auftragswertschätzung unterschiedlicher Planungsleistungen zum Bau eines Kindergartens verneint. Die Leitsätze lauten wie folgt:

1. Gem. § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV ist eine Addition der Kostenschätzungen bei Planungsleistungen für Lose über gleichartige Leistungen vorzunehmen. Das Kriterium der „Gleichartigkeit“ der Planungsleistungen bezieht sich auf die wirtschaftliche und technische Funktion der Planungsleistungen.

2. Bei einem Kindergarten handelt es sich nicht um eine hochkomplexe oder hochtechnische Anlage, so dass hier von Einzelplanungsgewerken ausgegangen werden kann. Eine Anlage mit durchschnittlicher Komplexität, wie es ein Kindergarten darstellt, erfordert standard-
mäßig eine Integration der anderen Planungsleistungen. Diese Integrationsleistung alleine ist nicht schon an sich als funktionelle, wirtschaftliche und technische Einheit der einzelnen Planungsleistungen zu sehen. Vielmehr bedarf es darüber hinaus einer besonderen engen Verzahnung, die gegebenenfalls bei hochkomplexen oder hochtechnischen Anlagen vorliegen kann.

Die Entscheidung der Vergabekammer Nordbayern steht nicht in Widerspruch zum Beschluss des OLG München. Vielmehr knüpft die Vergabekammer an die Auslegung des OLG München an und würdigt die Besonderheit des dem Beschluss des OLG München zugrunde liegenden Sachverhalts.

Trotz der erfreulich klaren Entscheidung der Vergabekammer Nordbayern bleibt ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit für die staatlichen und kommunalen Auftraggeber. Die damalige Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr hat mit Schrei-
ben vom 05.04.2017 die Regierungen über die Entscheidung des OLG München informiert. Dabei verwies sie auf die konkreten Umstände des Sachverhalts und bekräftigte, dass man weiterhin von einer europarechtskonformen Umsetzung der Richtlinien in deutsches Recht ausgehe.
Ausweislich der Begründung zu § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV könne eine Prüfung bei der Ermittlung des Auftragswerts zu dem Ergebnis führen, dass die Objektplanung, die Tragwerksplanung und die technische Gebäudeausrüstung als technisch unterschiedliche Planungen anzusehen sind, so
dass auch für die Beurteilung, ob der Schwellenwert erreicht oder überschritten werde, eine separate Betrachtung der jeweiligen Auftragswerte vorgenommen werden könne (Ausnahme: Generalplaner). Bei EU-geförderten Maßnahmen müssten – bis eine eventuelle Entscheidung des
EuGH herbeigeführt worden sei – die Vergabestellen abwägen, ob sie das Risiko einer späteren Rückforderung eingehen oder vorsichtshalber addieren wollen. Die Kommunalabteilung des damaligen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr hat die kommunalen Auftraggeber daraufhin benachrichtigt, dass die Ausführungen der Obersten Baubehörde auch für kommunale Vergaben gelten.

Diskussionsvorschlag:

Diskussionen auf Ebene der EU würden schlimmstenfalls – jedenfalls nach Auffassung der Europäischen Kommission – ein Umsetzungsdefizit in Deutschland aufdecken.

Schwierige (Risiko-) Abwägung im Einzelfall.

Diskussionsstand:
Unbefriedigend.

4. Kommunale Wohnungsunternehmen als öffentliche Auftraggeber und Inhouse-Fähigkeit kommunaler Wohnungsunternehmen? (Rechtsanwältin Dr. Julia Betz)

Problemaufriss:

Nach § 108 Abs. 1 GWB ist der Vierte Teil des GWB nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen, die von einem öffentlichen Auftraggeber (bspw. einer Gemeinde) an eine juristische Person des öffentlichen oder privaten Rechts (bspw. ein kommunales Wohnungsunter-
nehmen) vergeben werden, wenn – das Kotrollkriterium (ähnliche Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle) und – das Wesentlichkeitskriterium (zu 80 % für Kommune tätig) erfüllt sind – und keine privatwirtschaftliche Beteiligung besteht. Im Unterschwellenbereich gelten diese Voraussetzungen entsprechend (Ziff. 2 IMBek 2018).

Öffentliche Auftraggeber sind nach § 99 Nr. 2 GWB
„(…) juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen, sofern (…)“

Der EuGH verlangt immer eine Einzelfallprüfung anhand des Gesellschaftsvertrags und der Unternehmenstätigkeit, ob die Aufgabenerfüllung im Allgemeininteresse liegt und nicht gewerblicher Art ist. Die Tätigkeit ist regelmäßig gewerblicher Art, wenn die betroffene Einrichtung diese unter
Marktbedingungen erbringt, Gewinnerzielungsabsicht hat oder auf Leistungs-, Effizienz- und Wirtschaftlichkeitskriterien ausgerichtet ist und das Risiko ihrer Entscheidungen und die mit diesen Tätigkeiten verbundenen Verluste selbst trägt.

Damit ist die Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags ganz entscheidend.

Mit Urteil vom 05.10.2017 hat der EuGH entschieden, dass Inhouse-Gesellschaften nicht per se öffentlicher Auftraggeber sind, sondern dass es auch hier darauf ankommt, ob die Voraussetzungen des § 99 GWB erfüllt sind.

Diskussionsvorschlag:

Die gesetzlichen Regelungen ermöglichen bei einer entsprechenden Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags und der Unternehmenstätigkeit eine sachgerechte Behandlung.

5. Unzureichende Möglichkeiten des Auftraggebers bei der Eignungsprüfung (Gerda Peter)

Problemaufriss:

„Da der Bieter weiß, dass er in der Regel in jedem Fall den niedrigsten Preis anbieten muss, um den Zuschlag zu erhalten, wird das Leistungsverzeichnis durch bewusstes Nachtragsmanagement bereits im Angebotsstadium auf Schwachstellen untersucht und zu diesem Zeitpunkt bereits das spätere Nachtragspotential ermittelt, damit der Auftrag dann für den Bieter letztendlich auskömmlich ist.“

„Faktisch erfolgt die Vergabe von Aufträgen in den meisten Fällen an den Bieter mit dem niedrigsten Angebotspreis. Ein Ausschluss aufgrund mangelnder Eignung z. B. wegen Schlechtleistung in der Vergangenheit, ist nicht möglich, weil es zu keiner vorzeitigen Beendigung oder einer vergleichbaren Rechtsfolge gekommen ist oder die Schlechtleistung auch nicht detailliert dokumentiert wurde.

Das vermeintlich billigste Angebot ist dann im Nachhinein aufgrund von Schlechtleistung oder nicht termingerechter Leistungserbringung auf der Baustelle oftmals nicht mehr das günstigste Angebot. […]“

Diese Problemmeldung der GWG München deckt sich mit zahlreichen Problemdarstellungen unserer Mitglieder.

Öffentliche Aufträge werden an geeignete Unternehmen vergeben, die nicht nach §§ 123 oder 124 GWB ausgeschlossen sind, § 122 Abs. 1 GWB. Ein Unternehmen ist geeignet, wenn es die durch den öffentlichen Auftraggeber im Einzelnen zur ordnungsgemäßen Ausführung des öffentlichen Auftrags festgelegten Eignungskriterien erfüllt, § 122 Abs. 2 Satz 1 GWB. Das Ergebnis der Eignungsprüfung ist die Eignung oder die Nichteignung. Ein Vergleich zwischen den Bietern hinsichtlich einer besseren Eignung für den konkreten Auftrag findet nicht statt. Es gibt im Vergaberecht keine besser oder weniger gut geeignete Bieter, sondern nur geeignete oder nicht geeignete Bieter. Dabei sind die gesetzlichen Möglichkeiten, weniger geeignete Bieter auszuschließen, beschränkt. Beispielsweise sieht § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB einen fakultativen Ausschlussgrund vor, wenn das Unternehmen eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags oder Konzessionsvertrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt hat und dies zu einer vorzeitigen Beendigung, zu Schadenersatz oder zu einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt hat. Eine vorzeitige Beendigung scheidet aber trotz möglicher Schlechtleistung regelmäßig aus, weil dies zu erheblichen zeitlichen Verzögerungen des Projekts führen würde. Damit kann der öffentliche Auftraggeber nach Feststellung der Eignung dieses Unternehmens gezwungen sein, ein Unternehmen auszuwählen, das erfahrungsgemäß deutlich weniger geeignet ist als ein konkurrierendes Unternehmen, dessen Angebot geringfügig wirtschaftlicher erscheint und deshalb den Zuschlag erhält.

Führt eine Schlechtleistung in der Vergangenheit aber nicht zum Ausschluss auf der Ebene der Eignungsprüfung, kann es auch bei der Bewertung des wirtschaftlichsten Angebots nicht mehr berücksichtigt werden.

Diskussionsvorschlag:

Ermöglichung der Vornahme einer Abstufung der Eignung eines Unternehmens.

Die Ermöglichung der Vornahme einer Abstufung der Eignung eines Unternehmens hat für den Auftraggeber (theoretisch) den klaren Vorteil, dass für ein konkretes Projekt das ideale Unternehmen gefunden werden kann. In der Praxis hilft eine Abstufung der Eignung nicht weiter, wenn sich nicht genügend Unternehmen auf eine Ausschreibung bewerben. Auch erscheint eine Abstufung der Eignung fehler- und streitanfällig zu sein.

Weiteres Vorgehen:

Diskussion in den Fachgremien des Bayerischen Städtetags.

6. Vorrang der Losvergabe vor Gesamtvergabe (Generalunternehmer, Generalübernehmer) (Daniel von Schamann)

Problemaufriss:

„Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern.“

(Oberschwelle: § 97 Abs. 4 Sätze 2 und 3 GWB; § 5 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 und 3 VOB/A-EU: Mittelstandsförderung!)

Der Grundsatz der losweisen Vergabe schließt die Auftragsvergabe an Generalunternehmer regelmäßig aus.

Für eine Gesamtvergabe reicht nicht aus, dass die wirtschaftlichen oder technischen Gründe nach Art und Ausmaß typischerweise mit den bei der Vergabe nach Losen entstehenden Schwierigkeiten verbunden sind. Weiter reichen nicht aus: Wirtschaftliche Vorteile durch einen einfacheren Umgang mit der Mängelhaftung, ein verringerter Koordinationsaufwand oder verringerte Kosten.

Wirtschaftliche Ausnahmetatbestände:
– Durch eine Aufteilung der Vergabe entstehen unverhältnismäßige Kostennachteile nach denen die Vergabe nach Losen trotz deren besonderer Bedeutung mit dem Gebot einer sparsamen und wirtschaftlichen Vergabe nicht mehr zu vereinbaren ist.
– Durch eine Aufteilung drohen starke Verzögerungen, gegen die besondere zeitliche Zwänge sprechen (so angenommen z.B. bei stark belasteten Autobahnabschnitten).
– Eine Gesamtvergabe ermöglicht erst die Einhaltung eines vom Auftraggeber nicht zu verantwortenden Fixtermins.

Technische Ausnahmetatbestände:
– Die Aufteilung der Vergabe führt zur Entstehung nicht mehr funktionsfähiger Auftragseinheiten.
– Erfordernis enger logistischer Kooperation, z.B. beim Abtransport von Erdmassen in beengten baulichen Lagen (z.B. beim Tunnelbau).
– Es wird nach Prüfung der Zweckmäßigkeit eine funktionale Leistungsbeschreibung gewählt, um die technisch, wirtschaftlich, gestalterisch beste und funktionsgerechteste Lösung einer ausgeschriebenen Leistung zu finden (§ 7c EU VOB/A).

Lesenswert Handreichung des StMI vom 25.07.2016 für Gemeinden zur Schaffung von Wohnraum im Rahmen des kommunalen Wohnraumförderungsprogrammes:

„Zu den wirtschaftlichen Gründen können nicht nur reine Kostenvorteile, sondern auch nichtmonetäre Vorteile gehören. Diese können zum Beispiel in einem volkswirtschaftlichen Nutzen einer früheren oder schnelleren Realisierung des Projektes liegen. Denkbar ist, dass fehlende Bearbeitungskapazitäten wegen vorübergehender, erheblich höherer Aufgaben, die zeitnah erfüllt werden müssen, eine Generalunternehmervergabe rechtfertigen können. Bautechnische Rahmenbedingungen sowie auch system- oder herstellungsbedingte Strukturen können technische
Gründe für eine Zusammenfassung von Losen sein. Entscheidet der Auftraggeber, dass er ein Projekt in Form einer modularen Bauweise oder Systembauweise realisieren will, führt dies zwangsläufig zu einer Zusammenfassung von Losen.…….Nur so wird den einzelnen Firmen er-
möglicht, ihre unterschiedlichen Systeme im Wettbewerb anzubieten.“

Die Begründung einer Gesamtvergabe fällt öffentlichen Auftraggebern regelmäßig schwer. Auch eine Befragung der Teilnehmenden des Workshops zeigte, dass nur eine Hand voll Auftraggeber bislang Erfahrungen mit der Beauftragung eines Generalunternehmers gesammelt hat. So haben
die GEWOFAG München und die GWG München Bauvorhaben an Generalunternehmer im Rahmen des Münchener Programms „Wohnen für Alle“ vergeben. Die Oberste Baubehörde hat die Zulässigkeit der Gesamtvergabe wie folgt bestätigt:

„Soweit eine modulare Bauweise vorgesehen ist, erfordert diese, dass die Ausschreibung im Wege einer Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm erfolgt. Die Zusammenfassung von Fachlosen ergibt sich daher systembedingt und ist vergaberechtlich zulässig.“

Diskussionsvorschlag:

– Zulässigkeit von GU-Vergaben in Gemeinden mit festgestelltem Wohnraummangel bzw. angespanntem Wohnungsmarkt.
– Zulässigkeit von GU-/GÜ-Vergaben für Gemeinden/öffentliche Auftraggeber in kleineren und mittleren Kommunen
– Zulässigkeit von GU-Vergaben in Bezug auf einen bestimmten Prozentsatz des GesamtAuftragsvolumens des Auftraggebers
– Zulässigkeit von GU-Vergaben zur Bekämpfung der Wohnraumknappheit als Experimentierklausel mit Evaluation nach einem festgelegten Zeitraum
– Verbindliche Auskünfte der Fördermittelbehörden (Investitionsschutz)
– Bundeseinheitliche Anwendung des Vergaberechts (außerbayerische Handhabung erscheint großzügiger!)
Diskussionsstand:

Der Grundsatz der losweisen Vergabe dient dem Mittelstandschutz. Er soll im Grundsatz nicht angetastet werden. Allerdings sollte eine Berufung auf eine Ausnahme im Einzelfall rechtssicherer möglich sein.

Die Generalunternehmerschaft ist kein Allheilmittel für mehr Wohnungsbau. Aus der bisherigen Diskussion wird deutlich, dass gerade Städte und Gemeinden, die bislang keine oder wenig Erfahrungen mit Generalunternehmern sammeln konnten, sich wesentliche Erleichterungen und
Vergünstigungen durch die Beauftragung eines Generalunternehmers versprechen, während die Vergabestellen größerer Verwaltungseinheiten dieses Mittel sehr dosiert einsetzen und auf Risiken der Generalunternehmerschaft hinweisen:

– Stärkere Verrechtlichung des Bauablaufs ist wahrscheinlich
– Nachtragsanfälligkeit kann sich erhöhen durch Lücken im Leistungsprogramm
– Risiko nachgelagerter Streitigkeiten über Vertragsbedingungen
– Baukostenanstieg ist möglich („GU-Zuschlag“).

Allerdings kann die Generalunternehmerschaft ein Mittel sein, Planungs- und Bauzeiten zu verringern, indem bestimmte Bauprojekte „ausgelagert“ werden, Schnittstellen zwischen Handwerker- und Baufirmen verringert und Terminrisiken in den Verantwortungsbereich des Auftragnehmers verlagert werden. Auch zeigen die Erfahrungen der GEWOFAG, dass Gesamtvergaben nicht per se mittelstandsfeindlich sind, wenn Bietergemeinschaften an GU-Ausschreibungen teilnehmen.

Weiteres Vorgehen:

Behandlung in den Gremien des Bayerischen Städtetags.

Der Grundsatz der losweisen vergabe ist im Bundesrecht (§ 97 Abs. 4 GWB), im Landesrecht (Mittelstandsförderungsgesetz) und inzwischen auch in Art. 46 Abs. 1 RL 2014/24/EU verankert. Der Bundesgesetzgeber hat dabei die Vorgaben der RL 2014/24/EU sogar verschärft. Eine Lockerung des Grundsatzes zu einer bloßen Begründungspflicht der Beauftragung eines GU erscheint schwierig.

Es bietet sich ein Austausch mit dem bayerischen Innenministerium an, ob die Lage innerhalb der Gebietskulisse mit festgestelltem Wohnraummangel eine Begründungserleichterung für die Inanspruchnahme einer Ausnahme bieten kann. Der Bayerische Städtetag wird dies bei entsprechender Beschlusslage weiter vorantreiben.

Projektziel

Vereinfachung vergaberechtlicher Bestimmungen, um besonders für kleinere Städte und Gemeinden im Großraum München den Wohnungsbau zu erleichtern.

Projektträger

Landeshauptstadt München

Große Kreisstadt Freising: Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher

Bayerischer Städtetag: Florian Gleich, florian.gleich@bay-staedtetag.de

Herausforderungen

  • Abstimmung
  • Rechtliche Rahmenbedingungen

Projektfinanzierung

  • Sonstige: